ℹ️ In Deutschland müssen Balkonkraftwerke bislang mit einem Zähler mit Rücklaufsperre ausgestattet sein. Das bedeutet: Wenn die Solaranlage so viel Strom produziert, dass der eigene Haushalt ihn nicht mehr abnehmen kann, hat der Besitzer nichts von der möglichen Einspeisung ins Netz. Andere Staaten sind da schon weiter. Unter anderem in den Niederlanden profitieren schon Haushalte von der produzierten Photovoltaik auf dem eigenen Balkon, weil ihre Zähler auch rückwärts laufen können. In Deutschland soll das nun auch demnächst möglich sein, wie aus einer Verlautbarung des Bundeswirtschaftsministeriums hervorgeht (Stand: Anfang März 2023).
Vorschlag des VDE: Zähler sollen rückwärts laufen können
Der VDE (Verband der Elektrotechnik / Elektronik / Informationstechnik) schlägt inzwischen Vereinfachungen für Balkonkraftwerke vor, zu denen auch gehören soll, dass Zähler rückwärts laufen. Zudem sollen die Module für die Photovoltaik an haushaltsübliche Steckdose angeschlossen werden. Bislang benötigen sie noch die spezielle Energiesteckvorrichtung nach den DIN VDE V 0100-551 und VDE V 0100-551-1. Es gab schon länger Kritik an dieser Vorschrift, denn Fachleute des VDE merken an, dass diese für kleinere Solaranlagen unnötig ist. Mit dem einfachen Schukostecker hingegen könnte jede Privatperson sofort ihr eigenes Balkonkraftwerk anschließen. Der zuständige Normungsverband für die DIN verwies allerdings auf die nötigen gesetzlichen Regelungen:
Die Bundesregierung müsse dann entscheiden, dass die Zähler rückwärts laufen dürfen, wenn das Balkonkraftwerk einen Überschuss an Strom aus Photovoltaik produziert. In den letzten Wochen hatte der VDE daraufhin ein Positionspapier vorgelegt und darin Vorschläge für den vereinfachten Anschluss dieser kleinen Solaranlagen unterbreitet. Sie sehen unter anderem vor:
- Bagatellgrenze für Balkonkraftwerke bis 800 Watt
- Anpassung der Vornorm VDE V 0126-95 für Steckersolargeräte an diese Grenze
- Anschlussmöglichkeit von kleinen Solaranlagen bis 800 Watt an jede Zählertyp, der auch rückwärts laufen kann
- vereinfachte Anmeldung und Inbetriebnahme
- Duldung von Schukosteckern für das Balkonkraftwerk
Zuspruch zu diesen Vorschlägen kommt unter anderem von den Verbraucherzentralen. Stefan Hartmann von der rheinland-pfälzischen Verbraucherzentrale, zuständig für Photovoltaik, bezeichnete den Richtungswechsel des VDE als überfällig, weil er formale Hindernisse für die privaten Betreiber von Solaranlagen ausräume.
Die Nutzung der Photovoltaik sei ein essenzieller Baustein der Energiewende. Wenn sich Privathaushalte mit Balkonkraftwerken daran beteiligen würden, schöpfe dies erhebliche Potenziale aus.
Warum dürfen Zähler von Balkonkraftwerken bislang nicht rückwärts laufen?
Es geht hierbei im Grunde um Normierungsvorschriften. Gesetzeskonforme digitale Zähler, die laut deutschen Normen verbaut werden, laufen nicht rückwärts. Es ist bislang sogar strafbar, weil ein Zähler, der rückwärts läuft, nach derzeitigem deutschen Gesetzesstand eine Manipulation von technischen Aufzeichnungen ermöglichen würde. Inzwischen hat die Politik das Dilemma erkannt, auch weil es Vorbilder in anderen Staaten gibt.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) kündigte unlängst an, dass man das entsprechende Gesetz überarbeiten werde, damit die Zähler von Balkonkraftwerken auch rückwärts laufen dürfen. Damit reduzieren sie dann den abgerechneten Strom im Haushalt und bringen dem Betreiber der Solaranlage auf dem Balkon einen finanziellen Gewinn. Aus europäischen Nachbarländern ist bekannt, dass dies die Akzeptanz von Balkonkraftwerken deutlich erhöht.
➡️ Eine Anlage bis 800 Watt Leistung kann grob gerechnet den halben Strombedarf eines Vier-Personen-Haushaltes decken. Sie produziert aber phasenweise (nachts) gar keinen und in manchen Stunden viel zu viel Strom. Letzterer sollte dann ins Netz eingespeist und den Erzeugern auch vergütet werden.
Erheblicher Bürokratieabbau, wenn Zähler rückwärts laufen
Es gibt ältere (analoge) Zähler, die theoretisch auch rückwärts laufen können. Das kam nur vor der Einführung der privaten Stromerzeugung mit Photovoltaik nie vor. Die Gesetze, die den Rückwärtslauf verbieten, sind schon sehr alt. Immerhin wäre es ja möglich, dass jemand seinen analogen Zähler abklemmt und ihn zurückdreht, um bei der Stromrechnung zu betrügen.
Als nun in den letzten Jahrzehnten vermehrt private Solaranlagen installiert wurden, darunter seit kurzer Zeit sogar Balkonkraftwerke, erkannte der Gesetzgeber das Problem, dass die Zähler bei einem Überschuss an produziertem Solarstrom rückwärts laufen würden. Also schrieb er den Ersatz älterer analoger Zähler durch digitale Zähler mit Rücklaufsperre vor. Alternativ ließen sich Eigenheimbesitzer oder Gewerbetreibende, die reichlich Solarstrom produzieren und ins Netz einspeisen, gleich zwei Zähler installieren: einen für die Abnahme aus dem Netz, einen für die Einspeisung ins Netz.
➡️ Das ist aufwendig und würde sich für ein Balkonkraftwerk kaum lohnen. Dass die Zähler einfach rückwärts laufen, ist in der Tat die einfachste Lösung und erspart einen immensen bürokratischen Aufwand. Es ist zu hoffen, dass Habeck sein geplantes Gesetz recht schnell auf den Weg bringt.
Balkonkraftwerk-ABC/ Dürfen Zähler rückwärts laufen?
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Energie-Experten.org/ VDE fordert Zähler ohne Rücklaufsperre